Der Weinjahrgang 2022
So etwas wie ein „normales Jahr“ gibt es vermutlich nicht mehr. Das Klima der letzten Jahre wusste mit jeder Saison irgendeinen Rekord zu brechen und die Bauern immer vor neue Herausforderungen zu stellen (auch ein Grund wieso der Beruf des Landwirtes nie langweilig wird). Als roter Faden zieht sich leider die anhaltende Trockenheit durch die Jahreszeiten. Oft wird diese von Leuten außerhalb der Branche gar nicht wirklich als Problem wahrgenommen. Zu angenehm ist es, wenn im Sommer das Badewetter überwiegt und im Winter der lästige Schnee den Verkehr nicht zum Erliegen bringt.
2022 startete mit einer Trockenperiode, die schon im Herbst 2021 begann. Es sollte auch bis April/Mai dauern, bis endlich Niederschlag kam. Man kann sich über sehr gutes Timing freuen, für den Ackerbau kam es gerade noch rechtzeitig, für den Weinbau zu einer optimalen Zeit im Vegetationsfenster. Der anhaltende, ergiebige Regen legte eine gute Basis um die Versorgung über einen großen Teil des Sommers sicherzustellen. Die große Schattenseite dieses Niederschlags offenbarte sich erst gut drei Wochen später. Die Niederschläge selber fielen zu großen Teilen in den ersten Tropennächten des Jahres. Dunkelheit, nasse Blätter und 20+° Celsius sind der ideale Nährboden für die Peronospora, ein Schadpilz, der die Erntemengen dramatisch reduzieren kann. Zu dieser Reduktion kam es leider auch, vor allem in Weingärten, die nicht gut durchwindet sind. Die lokalen Unterschiede des Befalls sind enorm: im Großteil der Weingärten wurde keine wirtschaftliche Schadschwelle erreicht, in ein paar extremen Fällen aber 50% des Ertrags vernichtet. Der Regen kam über fast ein Monat hinweg ziemlich regelmäßig, gut für die Rebe und den Pilz.
Die Peronospora ist ein alter Widersacher der Wein- und Gemüsebauern. Der Pilz gedeiht prächtig in einem feuchten Umfeld mit gemäßigten Temperaturen. Kurative Mittel sind im biologischen Bereich nicht verfügbar und präventive Maßnahmen helfen nur bedingt, wenn der Gegner alle Rahmenbedingungen auf seiner Seite weiß. Dank des Klimawandels nimmt die Anzahl der Jahrgänge deutlich ab, in denen dieser Schadpilz zum Problem wird, Hitze und Trockenheit sind sein Verhängnis. Wenn er aber kommt, fehlt uns inzwischen vielleicht etwas die Routine, um mit ihm umzugehen. Im Bio-Weinbau kann man diesen Schadpilz wohl als unsere Nemesis bezeichnen.
Trotz der Wiederkehr der intensiven Trockenheit über Juli und August hinweg, traten keine Probleme mit Trockenstress auf, aber der Durst der Flora war durchwegs spürbar. Die Auswirkungen des konstant heißen Wetters auf den Wein sind noch etwas schwierig abzuschätzen, wir können aber davon ausgehen, dass die Traubenreife früh erreicht wird.
Ein sehr ergiebiger Niederschlag zwei Wochen vor Beginn der Lese ließ uns nochmal nervös werden. Zwar begrüßen wir den dringend notwendigen Regen, aber so kurz vor der Ernte kann es dadurch zu aufplatzenden Beeren kommen, die dann wiederum als Einfallspforte für Essig und Botrytis zum Problem werden können.
Alles in allem war es ein herausforderndes Jahr, das von den Winzern einen kühlen Kopf verlangt hat, was in Zeiten des Klimawandels immer schwieriger wird. Statistisch gesehen war 2022 ein sehr heißes Jahr, betrachtet man allerdings nur die Vegetationsperiode ist das Bild aufgrund des feuchten Frühlings nicht ganz so eindeutig. Trotzdem wird der Stil des Weines eher „warm“ ausfallen. Gerade die schwierigeren Jahre sorgen für die spannendsten Weine, vorausgesetzt wir bleiben cool!
Wie so oft wird das Spiel aber in den letzten Minuten entschieden. An der Handlese wird 2022 im hochqualitativen Bereich wohl kein Weg vorbeiführen. Gerade in durchwachsenen Jahren ist ein gutes Leseteam Gold wert! Es wird heuer sehr wichtig sein, die Vorzüge der sehr schonenden Ganztraubenverarbeitung zu nutzen, wenn man nicht möchte, dass Gerbstoff (zu viel) und Säure (zu wenig) zum Problem werden.
Nach der Lese und der Gärung werde ich in einem weiteren Beitrag das Jahr Revue passieren lassen.